Ian D. FowlerUhrenrestaurator u. Uhrenhistoriker |
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Fach ArtikelDie deutsche, bürgerliche Bodenstanduhr(eine Übersicht der regionalen Typen im 18. & 19. Jh.)Teil 2Evident ist der Einfluß der englischen Uhren in Sachsen. Es gibt unzählige Bodenstanduhren mit Werken sign. von William Jourdain und William Smith. Die Gehäuse enstammen sächsischen Tischlerwerkstätten und die Werke sind Importware aus London (und nicht sächsische Kopien). Bekannt sind aber auch einige wenige Beispiele eigenständiger Uhrwerke. In und um Bremen herum nahm der Bedarf an Hausuhren in der Form von repräsentativen Bodenstanduhren ab Mitte des 18 Jh. zu. In der Hansestadt Bremen wurde dieser Bedarf von der Uhrmacherfamilie Castens zum Teil gedeckt. In dem eher ländlichen Raum, nördlich von Bremen um den kleinen Ort Uthlede gab es einige Uhrmacher, deren Arbeit von Ihno Fleßner dokumentiert worden ist. (s. Ihno Fleßner: Zeitzeugen, Uhren und Uhrmacher aus dem Weser-Elbe-Gebiet seit dem 18. Jahrhundert, Schönebeck 2006.) Diese ländlichen Uhrmacher verwendeten eher Stahl / Eisen für die Platinen der Werke. Sowohl das Gehäuse als auch das Werk dieser Uhr (ein Typus meist unsigniert, der im Münsterland öfters auftaucht) weist mittlerweile weniger englische Einflüsse auf. Das Uhrwerk zeigt deutlich, dass die Machart des Werkes mehr aus dem Schmiedehandwerk kommt. Dies wird untermauert durch seine Arbeiten an der Turmuhr von der Marienkirche in Osnabrück. Bedingt durch die steigende Nachfrage nach Hausuhren haben ortsansässige Schmiede sich die Uhrmacherei ohne städtische, zünftige Ausbildung angeeignet. Sogar der erste Uhrmacher Christian Kintzing in Neuwied bezeichnet sich selbst als Autodidact (Goethe-Uhr Frankfurt 1746). Seine ersten Uhren ab etwa 1740 waren schlichte Bodenstanduhren für die Bürger der Umgebung. Auch hier erkennt man zwar die Gliederung des Gehäuses wie bei englischen Uhren und die Verwendung von Platinenwerken, aber weisen viele Merkmale regionaler Machart auf. (Die frühesten Uhren haben Storchenschnabelauslösung und die Werke sind fest im Kopf eingebaut, mit außenstehenden Glocken, Zinnringen, Zinn-Spandrels). Kintzing beschäftigte schon 1752 mehrere Mitarbeiter einschließlich einen Tischler. Erst ab Anfang der sechziger Jahre kooperierten er und sein Sohn Peter mit der berühmten Tischlerfamilie Roentgen. Der Einfluß der Familie Kintzing läßt sich in den Arbeiten von anderen Uhrmachern (Langerhans in Krefeld, Spies in Siegen, Bofenschen in Hannover, Klein in Cremgen u.a.) erkennen. Eine spätere Uhr von Peter Kinzing mit aufwändigem Werk ( koaxialer Viertelstundenschlag, ewiger Kalender, hochwertiges Emailzimmerblatt aus Neuenburg). Die ursprüngliche Neuwieder Gehäuseform wurde lange beibehalten. Die Pfalz und der Odenwald bildeten ein weiteres Zentrum regionaler eigenständer Uhrmacherei. Erwähneswert sind hier die große Uhrmacherfamilie Möllinger in Neustadt sowie Braun in Eberbach (Odenwald). Franz Jakob Braun (1735 - 1813) war ein sehr produktiver Uhrmacher in Eberbach. Seine Uhren wie auch von den anderen Odenwälder Uhrmachern (Schmidt/ Lindensfels und Sachs/Ripberg) ähneln stark denen von der Familie Möllinger, wo Braun wie andere Uhrmacher (u.a. Alt in Simmern, Henn in Odernheim/Glan, und Hoff in Frankfurt) lernten. Interessanterweise verwenden alle diese Uhrmacher Hohltriebe statt die üblichen massiven Triebe. Die Hohltriebe sind sehr sorgfältig mit kräftigen Butzen aus Messing ausgeführt. In den späteren Uhren benutzte Braun Keramikzifferblätter; (Fayence) der Marke CT (für Carl Theodor, den Kurfürsten von der Pfalz) aus der Manufaktur Sulzbach-Philippsburg). Die meisten ländlichen Uhren in diesen Gegenden hatten eine Gangdauer von 30 Stunden. Friedrich Carl Hoff (*1730 in Westerburg - +1795 Frankfurt/Main) war wohl der bekannteste Lehrling der Möllingers (außer Jakobs eigenem Sohn Christian, Berliner Hofuhrmacher). Er war Stadtuhrmacher in Frankfurt und lieferte Bodenstanduhren verschiedener Art, auch für Goethes Eltern (heute im Goethe Haus Weimar), die die Bauweise der Möllingers beibehielten. Die abgebildete Uhr mit Glockenspiel (14 Glocken mit Dämpfung, 28 Hämmer und 12 Lieder) ist das aufwendigste erhaltene Beispiel und entspricht vergleichbaren Uhren von Möllinger. F.C. Hoff hatte einen Bruder, Johann Georg, der nach Lancaster Pennsylvania USA auswanderte und Uhren in dieser Bauweise herstellte, auch mit Glockenspiel. Johann Wilhelm Winkel (1726 in Velbert, ab 1750 tätig in Elberfeld, + 1800) baute die besten Bodenstanduhren im Bergischen Land, wo durch den Handel, die Anfänge einer frühen Industrialisierung und das daraus aufsteigende Bürgertum eine große Nachfrage an Bodenstanduhren entstand s.u. Anscheinend genoss er eine eher zünftige Ausbildung und baute Uhren nur in Platinenbauweise fast immer in Messing. Wo er auf Wanderschaft war, ist nicht bekannt und Krieg schlägt Neuenburg/Schweiz vor, da er die Schlagwerkskadratur auf der Rückplatine meistens setzte. Allerdings haben die frühesten Uhren von ihm große Ähnlichkeiten mit Neuwieder Uhren. Von Winkel sind viele Uhren erhalten (oft mit holländischen Halbstunden-Wechselschlag, Viertelstundenschlag, Glockenspiel, 2 Flötenuhren, Stutzuhren). Er muss eine Manufaktur betrieben und einige Mitarbeiter beschäftigt haben. Teil 1 / Teil 3 zurück zur Artikelübersicht... |
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Fowler / Archiv-Fowler Ian D. Fowler Am Krängel 21, 51598 Friesenhagen Germany Tel. +49 (0) 2734 7559 Mobil 0171 9577910 e-mail Ian.Fowler@Historische-Zeitmesser.de Letzte Aktualisierung 21.01.2014
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